Donnerstag, 10. Januar 2013

Spiel des Jahres: 1985

Spiel des Jahres, Corny`s Spieleecke
 
1985: Die dänische autonome Region Grönland verlässt die EU, Michail Gorbatschow wird Generalsekretär der KPdSU, Einführung der Demokratie in Brasilien, Saarland hebt den Radikalenerlass auf, die Titanic wird entdeckt, erste rot-grüne Landesregierung Deutschlands in Hessen, Großbritannien tritt aus der UNESCO aus, die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunkt (PKS) heißt nun Sat. 1, von Commodore erscheint der erste Amiga, Calvin und Hobbes werden das erste Mal gedruckt, Augsburg feiert sein 2000 jähriges Bestehen ... UND:


Sherlock Holmes Criminal-Cabinet
erscheint als 7. Spiel des Jahres!


Fakten:

Autor: Gary Grady, Raymond Edwards, Suzanne Goldberg
Grafik: k.A.
Verlag: Franchk-Kosmos
Art: Deduktionsspiel
1 - 6 Spieler
ab 12 Jahren
ca. 30-150 min
Preis: 12,30 € [Ebay]


Geschichte:
Sherlock Holmes Criminal-Cabinet wurde von Gary Grady, Raymond Edwards und Suzanne Goldberg entwickelt und erschien 1981/82 in den USA bei Sleuth Publications als Sherlock Holmes Consulting Detective. In Deutschland erschien das Spiel erstmals 1984 in der frisch gegründeten Spieleschmiede von Franckh-Kosmos die damit gleich ihren ersten großen Hit landeten. Doch auch international bekam das Spiel große Ehren - so gewann es 1982 den hochangesehenen Charles S. Roberts Award (Origins Award) für das beste Fantasy-Brettspiel. Durch den aktuellen Sherlock Holmes Hype brachte Ystqari Games 2011 eine französische Ausgabe raus, die unmittelbar 2012 mit dem As d'Or - Jeu de l'Année ausgezeichnet wurde.


Der Inhalt: 
Stadtplan von London, Buch der Indizien, Zeitungs-Archiv, Buch der Kriminalfälle, Quiz-Buch, Londoner Adreßbuch und die Spielregeln


Pakt man das Spiel das erste Mal aus, so staunt man nicht schlecht: Kein Würfel? Keine Spielsteine? Dafür "nur" einige - besser gesagt - viele gedruckte Handbücher?

Willkommen bei Sherlock Holmes Criminal-Cabinet, dem erlebbaren Spielekrimi und zu dem wohl bisher ungewöhnlichstem Spiel in der Reihe "Spiel des Jahres". Das Spielprinzip ist denkbar einfach: Entweder alleine oder in einer Gruppe als sog. "Bakerstreet-Hilfcorps" liest man zuerst einen von 10 Kriminalfällen aus dem Buch der Krimanalfälle. Danach gehts an die verschiedenen Indizienorte. Diese befinden sich in dem sogenannten "Indizienbuch" und sind dort nach den geographischen Richtungen Londons durchnummeriert. Als Hilfe dient zudem eine Stadtkarte Londons und ein richtig dickes Adressbuch mit vielen vielen potentiellen Möglichkeiten. Hat man am Indizienort die dort befindlichen Informationen laut für alle vorgelesen, ist der nächste Spieler dran der den nächsten Indizienort raussuchen darf. Das ganze spielt sich also wie ein vorgelesenes Räteselhörbuch mit Mitmacheffekt. Damit das Ganze nicht zu unübersichtlich wird, gibt es 13 Ansprechpartner(adressen) die einem meist richtig viel weiterhelfen. So hofft man die Indizien richtig zu interpretieren, die versteckten Informationen zwischen den Zeilen zu verstehen um damit dem Mörder nach und nach auf die Spur zu kommen.

Das Zeitungsarchiv - Wo gehts gleich zu Moulin Rouge? .. achja richtig - falsche Stadt :-(

Die größte Hilfe ist dabei das Zeitungsarchiv. Zu jedem Fall gibt es eine eigene Zeitung mit richtig vielen Hinweisen. Der Trick dabei: In der aktuellen Zeitung steht eigentlich immer irgendwas zu dem Fall den man untersucht. Wenn also aufeinmal ganz viele Porzellangeschäfte inserieren - dann muss eins davon für den Fall wichtig sein ;-)

Damit das Ganze nicht ausufert, befindet man sich zudem in einem kleinen Wettstreit mit Holmes. Denn am Ende, wenn man glaubt den Fall gelöst zu haben oder schlicht aufgibt ^^, zieht man das Quizbuch zu rate und schaut welche Fragen es nun zu dem Fall gibt. Anschließend schaut man im Lösungsteil nach den Antworten und den dazugehörigen Punkten. Während Holmes hier immer 100 % erreicht, so versucht man alleine oder als Team die selbige zu erreichen oder durch Zusatzaufgaben eventuell zu übertreffen, was wir aber nie geschafft haben. Einmal erreichten wir mit etwas über 90 % fast Holmes'sche Qualitäten. Denn pro Indizienort gehen automatisch 3 % von der maximal erreichbaren Punktzahl weg abhängig davon, wieviele Indizienorte Holmes benötigt hat. Sprich: je mehr Indizienorte man besucht, desdo schlechter wird automatisch das Endergebniss. Holmes selber ist dabei auch ein brutaler Frustfaktor - denn er braucht unrealistisch wenige Indizienorte und am Ende kann man sich im Lösungsbuch noch einen höhnischen Kommentar Holmes reinziehen wie brilliant er mal wieder den Fall gelöst hat.

Das Zeitungsarchiv - mhhh was es da wohl für Annoncen gibt?

Das Spielmaterial selber ist einerseits richtig vielfältig und super durchdacht - auf der anderen Seite erscheint das Papier wie aus einem billigen Unikopierer. Was aber das Spiel wirklich hervorhebt sind seine abwechslungsreichen und richtig gut geschriebenen Geschichten. Und Holmes bleibt darin auch das literarisch bekannte arrogante Arschloch! ^^ Wie sagt er doch so schön: "Es ist im Grunde nicht schwierig, eine Reihe von Schlüssen zu ziehen, deren jeder sich vom vorhergenden ableitet und an sich unkompliziert ist. Wenn man nach diesem Vorgehen nun einfach alle Zwischenschritte überspringt und seinen Zuhörern nur den Ausgangspunkt und die Lösung präsentiert, lässt sich eine verblüffende Wirkung erzielen, die allerding nach Effekthascherei aussehen mag". Hört, hört!

Die Rätsel selber sind nämlich BOCKSCHWER! Das ist ein echter Kritikpunkt an dem Spiel. Klar macht es Spaß sich durch die Kriminalfälle zu rätseln und zu einfach dürfen sie auch nicht sein - jedoch sind sie nicht immer logisch aufgebaut. Es gibt immer nur Indizien, nie Beweise für einen Täter und wir sind oft richtig frustiert nur im Dunkeln umher getappt. Eigentlich würde man eine aufbauende Logikkette erwarten. Sprich: Ein Idizienort A führt zu B der zu C und dann zum Täter D führt. Leider sind aber in dem Spiel die Indizienorte eher horizontal aufgebaut, sprich sind eher wie Puzzelstücke in einem Gesamtbild das man langsam zusammenfügen muss. Das klappt aber leider nicht immer da manche Puzzelstücke aberwitzig versteckt sind.

Das Indizienbuch - sowie auch alle anderen Unterlagen sind durch nette Zeichnungen aufgelockert!

Dadurch ergibt sich, dass das Spiel eigentlich nicht alleine spielbar ist (ausser man ist unfassbar intelligent oder arbeitet bei der Kripo ;-). Aber im Team kommt man hingegen rasch auf gute und brauchbare Lösungen und es macht richtig Spaß. Dafür haben wir auch die Spielregeln etwas abgeändert. Eigentlich sollte jeder im Team für sich selber eine richtige Lösung definieren, um dann am Ende untereinander und gegenüber Holmes sich vergleichen zu können. Dass empfand ich aber in einem kooperativen Spiel als schlicht: blöd. Daher einigten wir uns als Team auf eine Lösung und traten somit gestärkt gegen den arroganten Holmes an ^^


Das größte Manko ist dann aber leider die fehlende Wiederspielbarkeit des Spieles. Logisch - wenn man erstmal alle Fälle durchhat, dann landet das Spiel in der Ecke und wir nie wieder an einem Spieleabend hervorgekramt. Außer man leidet an massiver Amnesie, oder Demenz - aber beides wünsche ich wirklich keinem. Aber bis man alle Fälle durchhat,  hat man viele, viele, sehr viele Stunden Spielspaß und Frust durchlebt ;-).

Abschließend noch ein Wort zum Spiel des Jahres. Es wundert mich schon sehr, dass dieses Spiel ein Spiel des Jahres wurde. Warum? Nun - es ist überhaupt nicht als Familienspiel geeignet. Von einem Spiel des Jahres erwarte ich, dass Kinder mitspielen können - und ich weiß ja nicht - entweder sind wir seit den 80ern wirklich total verblödet oder früher waren alle sauintelligent? Das Spiel ist einfach viel zu schwer und viel zu trocken für einen Familienabend. Warum hat dann dieses Spiel dennoch gewonnen? Nun, ich denke es war der damalige Zeitgeist: Das Spiel war für 1985 in seiner Art einzigartig und hat ein komplett neues Spielerlebniss dargestellt - und eben für die Vielfältigkeit der Spiele steht ja der "Spiel des Jahres" Preis. Und das find ich auch gut so!


Zusammenfassend:

Positiv:
- Kooperationsspiel
- spannende, witzige und ideenreiche Rätselgeschichten
- vielfältiges und liebevoll zusammengestelltes Material
- sehr simple Regeln

Negativ:
- Papier schaut aus wie aus einem Unikopierer
- Rätsel viel zu kompliziert, bauen nicht richtig aufeinander auf
- Lösungsweg von Holmes absolut absurd
- selbst Akademiker (oder gerade?) brauchen oft mehr als 3 h pro Fall


Vorgänger:
-

Neuauflagen:
-

Erweiterungen: 
- 1986: Sherlock Holmes Die Queen's Park Affaire (Spieltest folgt)
- 1990: Oliver Stone (nie auf deutsch erschienen)
- 2012: La rancon du diable (nie auf deutsch erschienen)
- 2013: Les Masques Africains (nie auf deutsch erschienen)
- 2014: L'Homme Sans Visage (nie auf deutsch erschienen)
- 2016: A Case of Bad Fortunes (nie auf deutsch erschienen)
- 2016: Mystery of the Hanging Man (nie auf deutsch erschienen)
- 2016: The Diavolo Case (nie auf deutsch erschienen)
- 2016: Murder Behind Closed Doors (nie auf deutsch erschienen)
- 2017: Vanishing from Hyde Park (nie auf deutsch erschienen)

Fortsetzungen:
- 1986: Sherlock Holmes Tatort London (Spieltest folgt)
- 1986: Sherlock Holmes & The Baby (nie auf deutsch erschienen)
- 1988: Adventures by Gaslight (nie auf deutsch erschienen)
- 1995: West End Adventures (nie auf deutsch erschienen) 
- 2017: Jack the Ripper (nie auf deutsch erschienen)

Fansize: 
-

weitere Auszeichungen:
- CSR Award/Origins Award: 1982: Bestes Fantasy-Brettspiel
- Der goldene Pöpel 1985: 7. Platz
- As d'Or - Jeu de l'Année: Prix du Jury 2012



Weitergehende Informationen:
Infoseite über den Autor: -
Sehr schöne Übersicht über die bisherigen Spielvarianten: Eurospielesammlergilde
Infoseite der Spiel des Jahres Seite: Hier
Spezial zu 25 Jahre Sherlock Holmes: Criminal-Cabinet: Hier



Gesamtwertung:
Einzelwertungen:


CF: 7/10
"Der "ideale" Loesungsweg scheint nicht gerade realistisch. Nichtsdestotrotz sehr unterhaltsam, insbesondere weil die Diskussionen oft ein bisschen vom Ziel abgleiten."

Christian: 8/10
"Spaßige Puzzelei, manchmal etwas langatmig." 

Corny: 7/10
"Ein genial geschriebenes Deduktionsspiel im Geiste der Sherlock Holmes Abenteuer. Mit vielfältigem Material und witzigen Abenteuern. Aber weder für Familienabende geeignet noch wiederspielbar. Schade!"

Eva: 8/10
"Spannend, abwechslungsreich, verrückt aber teils unlogisch. Und nur einmal spielbar."

Katrin: 8/10
"Spannende Kriminalfälle zum Lösen, teils leider mit Logikfehlern."

Steffa: 7/10
"Man muss sich erstmal in das recht ungewohnte Spielprinzip reinfinden, dann macht's aber Spaß"

Steffi: 8/10
"Eigt. schönes Spiel für lustige Abende! Punktabzug für: -1 nur 1x Spielen mgl.; 2. T... Auflösung."


Spiel des Jahres:

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