Samstag, 25. April 2015

Review "Ziemlich beste Freunde"

Filme und Serien 
Ziemlich beste Freunde
Produktionsjahr: 2011
Laufzeit: 112 min
Budget: 13 Mill. $
Einnahmen: 427 Mill. $
Original Titel: Intouchables
Regie: Oliver Nakache; Éric Toledano
Score: Ludovico Einaudi
 Genre: Biographie/Comedy/Drama
FSK: 6
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Der Trailer:



Philippe führt das perfekte Leben: Er ist reich, adelig, gebildet und hat eine Heerschar von Hausangestellten - aber ohne Hilfe geht nichts! Philippe ist nach einem Unfall vom Hals an abwärts gelähmt. Eines Tages taucht Driss, ein junger Mann der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, in Philippes geordnetem Leben auf. Driss will eigentlich nur einen Bewerbungsstempel für seine Arbeitslosenunterstützung und auf den ersten Blick eignet sich das charmante Großmaul aus der Vorstadt auch überhaupt nicht für den Job als Pfleger. Doch seine unbekümmerte, freche Art macht Philippe neugierig. Spontan engagiert er Driss und gibt ihm zwei Wochen Zeit, sich zu bewähren. Aber passen Mozart und Earth, Wind & Fire, Poesie sowie derbe Sprüche, feiner Zwirn und Kapuzenshirts wirklich zusammen? Und warum benutzt Philippe eigentlich nie den großartigen Maserati, der abgedeckt auf dem Innenhof steht? Es ist der Beginn einer verrückten und wunderbaren Freundschaft, die Philippe und Driss für immer verändern wird... [von der Blu-Ray Beschreibung entnommen]

Die volle Ladung "Ziemlich beste Freunde": Blu-Ray, DVD & Digital Fassung des Films; Soundtrack-CD, Hörbuch-CD; doppelseitiges Poster; 6 Postkarten; 24-seitiges Booklet; Bonus Blu-Ray & DVD; original Doku auf DVD


Ziemlich beste Freunde - oder "Die Unberührbaren", wie der Film im franz. Original heißt - ist einer dieser ganz seltenen und faszinierenden Kinophänomene: Als Underdog gestartet, von Woche zu Woche immer erfolgreicher, bis er am Ende in Frankreich über 19 (!) Millionen und in Deutschland über 9 Millionen Zuschauer begeistern konnte - was ihn nicht nur in diesen beiden Ländern zum erfolgreichsten Kinofilm des Jahres  machte, sondern zugleich auch zum erfolgreichsten nicht-englischsprachigen Kinofilm aller Zeiten - weltweit! Neben dieser märchenhaften Erfolgsgeschichte überschlugen sich zudem die Feuilletons sowie Kinokritiker voller Begeisterung und er zählt mit seiner imdb Wertung von sagenhaften 8,6 zu den Top 40 der besten Filme aller Zeiten! Doch ist "Ziemlich beste Freunde" wirklich so gut wie alle behaupten - oder ist er am Ende nur ein mit heißer Marketingluft gefüllter Hypeballon?

ER IST SO GUT!!!
Und damit könnte ich auch aufhören über "Ziemlich beste Freunde" zu schreiben - denn was könnte ich noch zu diesem wundervoll-atemberaubend-liebenswürdig-lebensbejahenden Film noch beitragen? "Ziemlich beste Freunde" ist absolut zu Recht ein solch großer medialer & finanzieller Erfolg und es ist eine echte cineastische Freude diesen Film mit guten Freunden zu erleben - wieder und wieder und wieder.


Hinter der anrührenden Geschichte zwischen zwei typischen Aussenseitern in unserer Gesellschaft, einem reichen, aber von Halse ab querschnittsgelähmten Adeligen und einem dunkelhäutigen Kleinkriminellen aus den Vororten von Paris, entwickelt sich trotz all ihrer Unterschiede eine echte, zu tiefst verwurzelte Freundschaft. Dabei werden in dieser flott erzählten Komödie viele kleine, anrührende, erzählerische Nuancen über das Wunder Leben, Freundschaft, Liebe, Toleranz, Aufopferung, Hilfsbereitschaft und dem stetem Humor nicht alles so schrecklich ernst zu nehmen, sondern einfach das Leben so zu Leben wie es ist - mit all seinen fantastischen Facetten und Farben die man in dem tristen Alltagseinerlei viel zu oft und zu gerne übersieht dem Zuschauer offenbart!

Der Film schafft dabei nicht nur eine wundervolle Geschichte zu erzählen, nein, er schafft zugleich das kleine Wunder, dass jede einzelne Pointe, jeder Witz und jede Andeutung perfekt sitzt und man schlichtweg nicht mehr aus dem Lachen herauskommt! Und das ist neben dem hervorragendem Script auch den beiden fantastisch agierenden Schauspielern zu verdanken, allen voran dem charmanten Kleinkriminellen Driss, dargestellt von Omar Sy, der ein Facettenreichtum an Mimik und schauspielerischen Nuancen offenbart, dass es jedem Filmliebhaber eine wahre Freude ist im bei seinem Schauspiel zuzusehen. Ganz abgesehen von den locker-witzigen Sprüchen die ihm die Macher des Films in sein Mundwerk gezaubert haben! Im krassen Kontrast dazu steht der querschnitts-gelähmte Philippe, dargestellt von Fracois Cluzet, der nur durch seine Mimik seine Emotionen dem Zuschauer offenbaren kann - und tut! Und er macht dies in so einem fantastisch-atemberaubendrm Schauspiel, dass man ihm am liebsten die ganze Zeit umarmen möchte. Diese Schauspieler sind DIE perfekte Besetzung für diesen Film - besser gehts nicht!

Und diese fantastischen schauspielerischen Szenen werden von einem wundervollen, typisch französischen Soundtrack akustisch par excellence untermalt, der mal wieder zeigt, warum ich Frankreich, seine Menschen und seine Kultur so tief verehre! Ich ertappte mich beim Genuss des Films mal wieder mit der Frage, warum schaffen wir in Deutschland nicht solche Kleinode der Filmkunst? Warum fabrizieren wir hier immer nur diese Hau-Drauf-Hammer-Humor Filme à la Bully Herbig, Didi Hallervorden oder Otto? (Vom amerikanischem Pippi-Kacka-Humor mal ganz zu schweigen!) Warum schaffen wir es einfach nicht, als Land der "Dichter und Denker" einen solch witzigen, aber zugleich auch anrührenden und nachdenklichen Film zu kreieren - der nicht an einzelnen Stellen anfängt es zu übertreiben, so wie es die in magentafarben eingehüllten Till Schweiger Herzschmerzfilme so gerne tun? Trotz der Schwere der gezeigten Thematik geht man am Ende mit einem leichten, fröhlichem Herzen aus dem Kinosaal - und zugleich fühlt man sich zu tiefst betroffen und innerlich berührt - was könnte es schöneres geben?

Doch wo Licht ist, ist leider auch immer Schatten! Im Gegensatz zu einer normalen Filmstruktur ist "Ziemlich beste Freunde" im Grunde "nur" eine Ansammlung an kurzen, gagreichen Sequenzen, die durch die Handlung zwar perfekt eingerahmt werden, jedoch fehlt mir als Zuschauer das große Ziel, dieses WOHIN will der Film mich eigentlich tragen? Man folgt der Handlung trotz seiner berührenden Emotionalität nur als außenstehender Betrachter, da man von Szene zu Szene an der Hand geführt wird, ohne zu wissen wohin der Film eigentlich mit einem gehen möchte. Es fehlt einfach diese typische Einleitung-Kennenlernen-Höhepunkt-Trennung-Wiederkehr-Happy-End Struktur, die einem zumindest einen groben Erzählfaden vorgeben würde. Ziemlich beste Freunde ähnelt in seiner Erzählstruktur eher einer gut gemachten Dokumentation, bei der man als stiller Betrachter von außen zuschaut. Wenn man sich auf diesen dokumentarischen Erzählstil einlässt, dann reißt einen der Fluss der Handlung aber regelrecht mit. Doch just in jenem Moment, an dem ich diese Erzählstruktur akzeptierte, macht der Film eine plötzliche Wende und schwenkt dann doch in die typische 08/15 Höhepunkt-Trennung-Wiederkehr Struktur ein!

Das war meiner Ansicht nach überhaupt nicht nötig - warum zeigt man nicht einfach weitere wundervoll durchdachte Episödchen in der Interaktion zwischen diesen beiden faszinierenden Persönlichkeiten? Klar diente der erzählerische Bruch der inhaltlichen Dramatik: Wir erleben dadurch den psychisch & körperlich nachvollziehbaren Verfall Phillipes der ohne die ehrliche Warmherzigkeit von Driss nicht mehr weiterleben kann - und parallel dazu erleben wir wie Driss seinen Weg in die Gesellschaft gefunden hat! Gerade er, als notorischer Arbeitsverweigerer und Zeitverschwender, arbeitet plötzlich für einen Paketdienst wo Pünktlichkeit alles ist. Während ich mich also am Anfang verwundert fragte, wohin dieser Film eigentlich mit mir gehen will, bis ich seine dokumentarische Erzählstruktur akzeptierte, schwenkte er dann auf einmal für mich vollkommen überraschend doch in die Hollywood-typische Erzählstruktur über und zerbrach damit die vorherige Linie. Das ist das einzige was ich an diesem wundervoll gemachten Film kritisieren kann - und das mindert in keinster Weise die Genialiät und die Aussagekraft die hinter diesem filmischen Meisterwerk steckt, aber es fühlt sich für mich irgendwie so an, als hätten die Filmemacher am Ende doch nicht den Mut gehabt mit den typischen Sehgewohnheiten zu brechen. Und das fand ich einfach etwas Schade!

Schlußendlich bleibt noch anzumerken, dass die deutsche Synchronfassung absolut perfekt umgesetzt wurde und das fantastische Gesamtbild dieses filmischen Meisterwerks mustergültig abrundet. Sowohl die Stimmlage der Synchronisatoren, als auch die deutsche Übersetzung der französischen Witze und Anpassung an eine stimmige Lippensynchronität spielt absolut in der ersten Liga. Chapeau an das Synchronstudio!

Fazit: 
Außenseiter haben es in unserer kapitalistisch geprägten Gesellschaft warhaftig nicht leicht! Umso schöner ist es einen Film zu erleben, in dem zwei Außenseiter, die sich nicht fremder sein könnten, sich auf eine einzigartige und faszinierende Art ergänzen und uns damit ein nachdenkliches Lächeln direkt in unser Herz schenken. Frankreich zeigt uns Krautfressern mal wieder, wie man eine gute Komödie richtig macht, die das Herz des Zuschauers erwärmt, seine Gehirnzellen anregt und in keinster Sekunde in irgendeinen Kitsch abgleitet! Ziemlich beste Freunde ist ein fantastisches cineastisches Meistwerk, den man immer und immer wieder sehen kann und sollte - am besten mit guten Freunden! 



Gesamtwertung:
[und damit die bisher höchste Gesamtwertung die je ein Film erreicht hat!]



Einzelwertungen:

Bodo: 9/10
"Ein hervoragender Film zum lachen und nachdenken!"

Corny: 9,5/10
s.o. 

Eva: 10/10
"vollgut"

Lisa: 10/10
"Perfektes Heimkino, grandioser Film - auch beim zweiten Gucken - lustig & wunderschön"






Quelle Bilder: cinema.de


Dokumentationen: À la vie, à la mort - Für immer und ewig (2003), Laufzeit: 51 min, zeigt die wahre Geschichte der außergewöhnlichen Freundschaft zwischen Philippe Pozzo di Borgo und Abdel Sellou und diente als Ausgangspunkt und Inspiration für den Film Ziemlich beste Freunde. Absolut sehenswert!

Ziemlich beste Freunde: Begegnungen (2011), Laufzeit: 47 min, entstand während den Dreharbeiten zum Kinofilm und fokusiert sich auf die faszinierende und einzigartige Freundschaft zwischen Philippe und Abdel. Es werden dabei vor allem ihre psychologischen und humanistischen Ideale aufgegriffen, sowie die Vorbereitung der Schauspieler auf ihre sehr schwierigen Rollen dargestellt, die hierfür im Kontext der Dreharbeiten Phillipe und Abdel besuchten. Eine Dokumentation, die dem aufmerksamen Betrachter des Kinofilms zwar keine neuen Aspekte offenbart, da sich die Erzählung zu sehr auf die psychologische Analyse in der Beziehung der beiden Freunde zueinander und in den Gedankengängen der Schauspieler verhakt. Einzig der tiefe Respekt und Bewunderung der Filmemacher gegenüber Philippe und Abdel findet hier nochmal im besonderen Anklang.

Die Dokumentation des ZDF: Ziemlich beste Freunde - Was im Leben wirklich zählt (2012), Laufzeit: 28 min, setzt nach dem unfassbar erfolgreichen Kinofilm ein und zeigt was aus den beiden Freunden von damals geworden ist und welchen Einfluß der Kinofilm auf Frankreich, Philippe und Abdel hat. Die Dokumentation ist eine nette Ergänzung zu À la vie, à la mort, fügt jedoch keine neuen Facetten zu der Geschichte hinzu, rundet diese aber ganz nett ab.

Das Hörbuch: "Das zweite Leben des Philippe Pozzo di Borgo" von Philippe Pozzo die Borgo, ist die beeindruckende Autobiographie über das Leben und den noch immer wachen und humorvollen Geist Philippes. Vorgelesen von dessen deutschen Synchronisator, wird in witzigen und zum schmunzel anregenden Anketoden seine Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte beginnend mit seiner behüteten Kindheit, über seine große Liebe, hin zu jenem unheilvollem Unfalltag, bis zu den kuriosen Erlebnissen mit Abdel und seinem aktuellem Leben in Marroko geschildert. Die Autobiographie durchlebt dabei einen stehten Wechsel zwischen humorvollen Annektoden und den dunkeln & schmerzhaften Tagen in den Leiden von Phillipe als Tetrapedia. Das Hörbuch vertieft dabei nicht nur die Geschichte rund um Phillipe, sondern vermittelt in beeindruckender aber zugleich auch in beänstigender Art und Weise die trostlose Realiät mit der sich ein Querschnittsgelähmter in seiner neuen Lebensrealität arrangieren muss und verheimlicht dabei nicht die erschütternden medizinischen Aspekte und Leiden in dessen Lebensalltag. Freud und Leid wechseln sich in schmerzhafter Schnelligkeit ab, so dass das Hörbuch in seiner Eindringlichkeit dem Film in nichts nachsteht. Jedoch konzentriert sich die Erzählung hauptsächlich auf die Lebens.- und Liebesgeschichte von Philippe und schwenkt erst nach etwa 2/3 seiner Laufzeit auf das ungleiche Paar von adeliger Abstammung und harter Vorstadt. Leider ist dann gerade dieses letzte Drittel nur eine uninspirierte Ansammlung an unchronologischen Anektoden, die eher die Brutalität und Unverfrorenheit Abdels darstellen, als einen tieferen Einblick in die emotionale Beziehung der Beiden zueinander zu gewähren. Das damit leider schwache erzählerische Ende täuscht aber nicht über den grandiosen Anfang und den faszinierenden Mittelteil dieses Hörbuchs weg. Wer also mehr über das Leben von Philippe, seine persönliche Sicht auf die Geschehnisse und dem Leben als Tetrapedia erfahren will, dem kann ich dieses Hörbuch nur wärmsten zu Herzen legen! Wer aber auf eine lustige, episodenhafte Fortführung von Ziemlich beste Freunde setzt, der wird hier enttäuscht sein.

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