Dienstag, 20. Januar 2015

Review "Verblendung (2011)"

Filme und Serien 
Verblendung (2011)

Produktionsjahr: 2011
Laufzeit: 158 min
Budget: 90 Mill. $
Einnahmen: 233 Mill. $
Original Titel: The Girl with the Dragon Tattoo
Regie: David Fincher
Komponist: Trent Reznor und Atticus Ross
 Genre: Crime/Drama/Mystery
FSK: 16
Zur Homepage (deutsch): ------------------
Zur Homepage (englisch): Hier klicken
Der Trailer:



Die Millennium Trilogie beginnt: Seit 40 Jahren ist Harriet Vanger verschwunden. Und dennoch erhält ihr Onkel jedes Jahr eine gepresste Blüte - ein Geschenk das Sie ihm früher immer gemacht hat. Nun versucht ihr Onkel Hernik Vanger ein letztes Mal zu klären, was mit seiner Nichte passiert ist und beauftragt daher den in Ungnade gefallenen Reporter Mikael Blomkvist mit der Lösung des Falls. War es Mord? Und wenn ja, wo ist dann die Leiche? Und wer steckt dahinter? Wer seiner Verwandten aus der einflussreichen Industriellenfamilie der Vangers hat ein Motiv? Je tiefer Mikael Blomkvist in die Geschichte der Vangers abtaucht, desdo mehr entdeckt er dabei Grausames, Erschreckendes und Unerträgliches.

Augen zu und durch!

Anmerkung: Verblendung (2011) ist das amerikanische Remake des schwedischen Films von 2009. Inhaltlich hat sich zum Original bis auf einige Nuancen nichts geändert, daher gehen wir im folgenden nur auf diese und auf die filmtechnischen Unterschiede ein. Wer sich über den Inhalt - soweit es geht sogar spoilerfrei - informieren will, dem empfehlen wir unser Review zum schwedischen Film Verblendung.

Ich gebe es zu - ich hatte mir schon im Vorfeld eine Vielzahl an Formulierungen und Gedankengängen zurechtgelegt mit denen ich mein Unverständnis der amerikanischen Filmpolitik gegenüber äußern wollte, jeden einigermaßen interessanten europäischen Film in einem amerkanischen Remake zu verwursten - an dessen Ende der Charm, die Qualität und der Esprit des Originals in einem öden Fast-Food Geschmack des einerleies verwischt wird.

Doch Asche über mein Haupt es kam anders:
Meisterregisseur David Fincher (Sieben, Fight Club & The Social Network) war DIE perfekte Wahl den schwer zu verfilmenden Stoff erneut auf Celluiod zu bannen. Die 2011er Verfilmung ist ein fantastisch gut inszenierter, mit brilliant agierenden Schauspielern umgesetzter Prachtfilm, der zudem eine musikalische Untermalung zum daniederknien bietet. Die Verfilmung ist sogar so gut, dass sie mitnichten im Schatten des Originals steht, sondern an einigen Stellen diese sogar überstrahlt.  


Doch auch hier kommt die selbe Tragik wie bei allen amerikanischen Remakes zum Ausdruck, Verblendung 2011 ist ein Film den es schlicht nicht gebraucht hätte.

Denn anstatt wirklich was neues zu wagen - z.B. die schwedisch-europäische Düsternis zu verbannen und anstelle dessen den typisch amerikanisch Bombast-Effektfilm zu machen - klammert sich David Fincher schon fast manisch ans Original. So entsteht die kuriose Situation, dass ich mich an einigen Stellen mit der Frage ertappte, ob es sich hierbei schlicht nur um eine andere Schnittfassung oder bisher nicht verwendetes Material des schwedischen Films handelt - so erschreckend ähnlich sind sich beide Produktionen. Das geht sogar soweit, dass man an einigen Stellen verwundert die Blu-Ray Verpackung zur Hand nimmt, nur um ganz sicher zu gehen nicht doch versehentlich den schwedischen Film eingelegt zu haben. Als Beispiel sei hier nur einmal die schwedische Szene erwähnt, in welcher Martin Vanger duch einen Autounfall mit anschließender Explosiom ums Leben kommt, während er in der Romanvorlage nicht verstirbt. Und ja, im amerikanischen Remake kommt diese Szene identisch so vor.
Links das schwedische Original - rechts das amerikanische Remake
Oftmals entsteht dabei die kuriose Situation das ähnliche Szenen (siehe z.B. oben) nur aus einem anderen Winkel gedreht wurden oder Protagonisten einfach nur die Seiten von links nach rechts wechseln ... ganz so, als ob David Fincher das alles bewusst so arrangiert hat, nur damit er sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt sieht, er habe das schwedische Original einfach nur kopiert. Wirklich neue optische Impulse fehlen hier also!

Schwedische Szene vs....
In der Folge stellt sich auch die Frage: Warum dann überhaupt ein Remake, wenn dieses wieder in Schweden, mit schwedischen Zeitungen und Schildern spielt und sich der Inhalt und die Optik einem Ei dem anderen gleicht? Gerade wenn man sich vor Augen hält, dass der Abstand beider Filme knappe zwei Jahre war und es zumindestens interessant gewesen wäre wie die unterschiedlichen Filmkulturkreise die Buchvorlage am Ende umsetzen. Da hätten wir  auf der einen Seite eine europäische Kooperation zwischen Deutschland und Schweden für 3,5 Millionen Dollar und auf der anderen Seite eine Hollywood Verfilmung in Höhe von 90 Millionen Dollar. Trotz dieser finanziellen Differenz fallen die technischen Unterschiede am Ende maginall aus - so das man sich verwundert Augen und Ohren reibt, wo denn da das ganze Geld geblieben ist?

amerikanische!
In einigen Punkten schafft es das Remake dann doch noch dem Original überlegen zu sein: Die Handlung ist etwas stringenter, einfacher erzählt als in der schwedischen Vorlage. Zudem wurden geschickt Hollywoodgrößen wie Daniel Craig, Christopher Plummer und Stellan Skarg°ard für die wichtigsten Rollen gecastet - womit es in der Folge einfacher wurde die einzelnen Personen und deren Zusammenhänge auseinanderzuhalten (in der Originalfassung waren alle Schauspieler sehr schwedisch angehaucht womit eine visuelle Differenzierung erschwert wurde.) Gerade Daniel Craig liefert zudem eine fantastische schauspielerische Leistung ab und spielt so Mikael Nygvist an die Wand. Man glaubt es Craig in jeder Sekunde, dass er ein gebrochener Schrifsteller mit Hang zum Alkohol und willigen Frauen ist und kein 007 Superagent - spätestens dann wenn er sich durch einen kleinen blutenden Kratzer zusammenkauert und anfängt verwirrte Selbstgesspräche zu führen. Genial!
Henrik Vanger - in der schwedischen sowie in der amerikanischen Fassung!

Am ehesten merkt man die bessere finanzielle Ausstattung dem Soundtrack an - die räumliche Differenzierung der einzelnen Kanäle und der stimmungsvolle, kühle und fremdartig wirkende Soundtrack unterstreicht in beeindruckender Art und Weise die gezeigten Bilder - WOW! Zwar treibte auch der stimmige Soundtrack der schwedischen Fassung die Handlung dynamisch voran - die Soundkulisse im 5.1 Klang ist aber in der amerikanischen Fassung ne echte Wucht!

Mikael Nyqvist vs. Daniel Craig
An anderer Stelle kann der Film jedoch nicht überzeugen: So wurden ganze Handlungs-stränge wegrationalisiert oder nur noch in verkürzter Form angespielt: So kommt z.B. die komplette Milleniums Redaktion nur am Rande vor, die Liebesbeziehung zwischen Mikael Blomkvist und seiner Chefin wird auch nicht ausgearbeitet, der Spion in den eigenen Redaktionsreihen fehlt komplett und auch die Beziehung zwischen Lisbeth und ihrer Mutter findet nur in der schwedischen Fassung Platz. Mitunter verwunderlich ist das Ganze vor allem daher, da die Gesamtlaufzeit nicht wesentlich kürzer ist als im schwedischen Original. Der Grund hierfür ist aber recht schnell zu finden: In der Neufassung wurde der Schwerpunkt in den "Endkampf" gelegt, der hier leider deutlich in die Länge gezogen wurde.

Und dieses leider betrifft auch den kriminalistischen Aspekt des Filmes: Ganz generell wird der Rechercheanteil gegenüber dem Original massiv zurückgeschraubt. Konnte man in der schwedischen Fassung noch mitfiebern wie Fotografien bearbeitet werden und die Rätsel nach und dem Zuschauer erschlossen werden - so werden diese in der 2011er Fassung ohne lange Knobeleien recht schnell gelöst. Die Detektivarbeit reduziert sich somit auf das Niveau eines Indiana-Zufalls-Jones.

Noomi Rapace vs. Rooney Mara
Besonders deutlich wird dies bei der Lösung des größten Rätsels im Film - Spoiler: Den Bibelzitaten. Hackte in der schwedischen Fassung Lisbeth noch Blomkvist Rechner, fand dort dessen Notizen und schickte ihm die Lösung als geheime E-mail zu, woraufhin er durch echte Recherchearbeit Lisbeth ausfindig machte - so wird - und das ist jetzt kein Scherz - das Rätsel in der amerikanischen Fassung durch die neuerdings religiös-angehauchte Tochter Blomkvists, die ihn einfach mal so auf der abgelegenen Insel besuchte - schlicht durch Zufall gelöst. Weder Lisbeth noch Blomkvist sind hier an der Lösung beteiligt?!? Das Zusammentreffen beider wird dann dadurch erklärt, dass Blomkvist Hilfe bei seinen Recherechen benötigt und Lisbeth ihm empfohlen wird - sehr lame!!! 

So wie Daniel Craig in seiner Rolle brilliert, so verblasst dann aber leider die filmische Darstellung von Rooney Mara die in der Neuverfilmung Lisbeth Salander darstellt. Lisbeth erscheint in dieser Verfilmung als deutlich mädchenhafter, schwächer, ja fast schon zerbrechlich und bei weitem als nicht so brilliant wie in der schwedischen Fassung! War Lisbeth im Original noch eine beinharte Punkerin, so verkommt sie in der amerikanischen Fassung zur Emo-Girl! Ganz generell kann man feststellen, so wie die Handlung geglättet wurde, so wurde hier auch der Fokus hin zu Daniel Craig gelegt. In der Neuverfilmung erscheint es so, als würde im Grunde Blomkvist eh alles alleine lösen können - während  im Orignal erst Lisbeth die Handlung voranbrachte. Mitunter fragt man sich dann sogar als Zuschauer für was man eigentlich Lisbeth braucht! Mhh!

Dafür wird wiederum als heimlicher Star und als neuer Sympathieträger eine Katze in Szene gesetzt - mitunter spielt diese sogar Daniel Craig an die Wand ^^ - nur um am Ende als verstümmelte Hakenkreuz-Kadaverwarnung vor Blomkvists Schwelle ihr filmisches Ende zu finden... ähhh - willkommen  Hollywood!

Kommt so NUR in der amerikanischen Fassung vor - noch Fragen?






Ist den am Ende dann gar nichts amerikanisch-bombastisches enthalten? Doch, leider ja! Denn ausgerechent die Introsequenz wurde - warum auch immer - im James Bond Girlsongformat inszeniert. Klar ist die Sequenz ohne Frage visuell beeindruckend gemacht und greift dabei auch schon einiges in der Handlung von Verdammnis und Vergebung voraus, ohne dem unbedarften Zuschauer zuviel zu verraten - und war auch bestimmt für viele Filmstudenten und Animationsstudios eine monatelange harte und schweißtreibende Arbeit - aber sie passt so gar nicht zum Rest des Filmes. Hier wollte David Fincher ganz klar sage: "Das hier ist nicht die schwedische Fassung, wir machen was ganz anderes" nur um am Ende sich beim Rest des Filmes doch wieder an der Originalfassung festzuklammern! Somit fühlt sich diese Sequenz als harter Fremdkörper in einem ansonsten gelungenem Film an!



Martin Vanger - Original vs. Remake
Nun, stellt sich am Ende natürlich die Frage - welche Fassung sollte man am besten guggen? Die amerikanische Fassung ist leichter zugänglich und bietet zudem einen fantastisch agierenden Daniel Craig und eine makelose Inszenierung. Die schwedische Fassung hingegen ist rauer, fordert den Zuschauer mehr, bietet dafür aber auch neben einer fantastisch agierenden Noomi Rapace weitere hervorragende Schauspieler. Zudem ist nur die schwedische Fassung ein richtiger Kriminalfilm, mit interessanter Recherche-arbeit und vielen weiteren wichtigen Hintergrundinfos und Fakten. Im Rest nehmen sich dann beide Fassungen aber erstaunlich wenig! Wie eingangs schon erwähnt könnte es sich hier - böse gesagt - schlicht um unterschiedliche Schnittfasssungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten sowie Nuancen in der Handlung handeln.

Letzten Endes empfehle ich daher die schwedische Fassung, 
vor allem da Teil 2 und 3, Verdammnis und Vergebung, bisher noch nicht in Hollywood verfilmt wurden (und wann das noch passieren soll, steht in den Sternen). Einzig Daniel Craig übertrumpft im amerikanischen Remake die Darstellung Blomkvists von Mikael Nygvist! Aber das rundere und spannenderere Endprodukt erhält man dann halt doch vom schwedischen Original! 

Warum also überhaupt ein Remake von Nöten war, bleibt mir somit verschlossen!

Wie ein Ei dem anderen!

Fazit:
Verblendung 2011 ist ein positives Beispiel für ein amerikanischen Remake, dass den Geist und die Ästhetik des europäischen Originals atmet - und zugleich ein negatives Beispiel dafür am Ende doch nicht mutig genug gewesen zu sein neue Wege zu beschreiten, um neben einfachen technischen Upgrades auch inhaltlich neue Akzente zu setzen. Schade! Dennoch ist auch Verblendung 2011 ein starker Film, mit einem fantastisch agierenden Daniel Craig und einem Soundtrack zum daniederknien, der aber im Vergleich zum Original etwas glattgebügelter und einfacher konstruiert ist. Man kann somit bei Verblendung sowohl zum Skot als auch zum Hamburger greifen - beides lässt sich guten Gewissen gourmieren! Was am Ende dann besser schmeckt überlass ich dem individuellem Geschmack!


Gesamtwertung:

Einzelwertungen:

Corny: 9/10
s.o.

Warum nur 9 von 10 Punkten, wenn der Film dem Original wie ein Apfel dem anderen gleicht? Nun - es tut mir leid, aber von einem Remake erwarte ich neue und frische Akzente - und nicht wie hier nur ein Film der im Grunde "nur" eine neue Schnittfassung bietet, mit einem etwas besseren Bild und besserer Soundkulisse! Wer aber das schwedische Original bisher noch nicht gesehen hat, darf ruhig den fehlenden Punkt wieder dazu addieren.


Eva: 8/10
"Gut, zwischendrin bissl lang"


Quelle Bilder: cinema.de
und Screenshots von der Blu-Ray (vom TFT abfotografiert ;-)



Achtung Schnittfassung: Im Free-TV wurde bisher nur eine stark geschnittene FSK 12 Fassung ausgestrahlt. Hierbei fielen eine Vielzahl der doch recht expliziten Szenen dem Cutter zum Opfer, was mit einer Gesamtkürzung von 3:58 Min einherging. Den Schnittbericht dazu kann man HIER nachlesen. Für die ungeschnittene Fassung von Verblendung (2011) wird man daher zur Blu-Ray Fassung greifen müssen.


Millennium-Trilogie
Schwedische Fassung :

2 Kommentare:

  1. Nur kurze Randbemerkung:
    Der Hauptgrund für diese ganzen US-Remakes ist, dass die amerikanische Bevölkerung quasi "allergisch" auf Audiodubs reagiert - die hassen es wie die Pest, wenn die Lippenbewegungen nicht zu 100% passen. Deswegen wird so viel neu verfilmt was im Original nicht Englisch war. Ansonsten gibt's diese Filme drüben nur im Originalton mit Untertiteln, was auch nicht jedem zusagt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ah - das ist interessant!
      Vielen Dank für die Info!

      Sowas geht halt auch nur bei einem großen Markt wie Amerika bzw. dem englischsprachigen Raum. :-)

      Was Synchronisationen angeht sind wir in Deutschland eh total verwöhnt - mein Bruder hat jahrelang in Polen gelebt und gearbeitet und bei denen wird einfach über den Originalton ein Sprecher drübergelegt der alles - teilweise auch noch arg zeitversetzt - drüberquatscht.

      Anyway - ich finds aus filmtechnischer Hinsicht sogar recht interessant zu sehen wie ein europäischer Film für den amerikanischen Markt neu interpretiert wird - wobei es im Falle von Verblendung, wie oben beschrieben, noch erstaunlicher war wie wenig sich beide Filme unterscheiden :-)

      Löschen